Wieder einmal wird von der Regierung und den Massenmedien samt ihren Medienintellektuellen zum Kampf gegen eine große Bedrohung aufgerufen. Wieder einmal wird die Bevölkerung drohend ermahnt, im „Kampf gegen X“ – X kann dabei alles sein, was sich wirksam zur Angsterzeugung nutzen lässt – die nötige Entschlossenheit zu zeigen und sich besinnungslos hinter die autoritär beschlossenen Abwehrmaßnahmen der Regierung zu stellen. Denn schließlich sei „unsere Demokratie“ – womit die Herrschenden natürlich „ihre“ Demokratie meinen – bedroht und müsse wehrhaft verteidigt werden.
Selbstverständlich steht es nicht gut um die Demokratie. Das freilich ist wenig überraschend, weil es im Kapitalismus noch nie gut um die Demokratie stand und weil ohnehin seit jeher die größten Feinde der Demokratie in den Apparaten der Exekutive sitzen.
Der Zustand der Demokratie ist leicht am Zustand ihrer Massenmedien zu erkennen. Heute haben sich die großen Medien – in zuvor unerreichter ideologischer Homogenität – in den Dienst des globalisierten Finanzkapitalismus, also Neoliberalismus, und in den Dienst US-hegemonialer Interessen gestellt. Welche Bedrohung der Demokratie könnte größer sein als eine Transformation ihrer Massenmedien zu einem propagandistischen Kampfinstrument der Herrschenden? Was genau ist dann die ausgerufene neue Bedrohung, die es statt dieser medialen Bedrohung entschlossen zu bekämpfen gilt?
Der zuverlässig propagandistische SPIEGEL hat sich jüngst in seiner Titelstory bemüht, der verwirrten Wählerherde die nötige Orientierung zu geben. Es seien die „heimlichen Hitler“, die heute die Wurzeln des Bösen verkörperten. Dieser Schachzug zur Narrativkontrolle ist nicht unerwartet, gehört doch die Ausrufung eines neuen Hitler zum bewährten Repertoire der psychologischen Kriegsführung der NATO. Mit seiner Kandidatenliste bezeugt der SPIEGEL eine Verharmlosung des Nationalsozialismus wie auch eine Blindheit für heutige Erscheinungsformen des Faschismus. Höchst aufschlussreich ist dabei, dass Benjamin Netanyahu auf der SPIEGEL-Liste fehlt – vermutlich, weil er offensichtlich geradezu ikonisch „unsere Werte“ verkörpert, die er mit äußersten Mitteln gegen „das Böse in der Welt“ verteidigt. Gaza und der von Deutschland bedingungslos unterstützte Vernichtungskrieg Israels gegen die Palästinenser sind der Kulminationspunkt einer langen Tradition, die immer wieder belegt, dass Verbrechen wie Rassismus, Faschismus, Völkermord und ethnische Säuberungen von dieser „Wertegemeinschaft“ bereitwillig bis enthusiastisch unterstützt werden, solange sie nur von den „Richtigen“ begangen werden. Auch die NATO hat keine Scheu, Seite an Seite mit Leuten in den Krieg zu ziehen, die SS-Abzeichen tragen.
Der von oben verordnete „Kampf gegen Rechts“ zielt also auf etwas ganz Anderes. Die Geschichte der Bundesrepublik belegt seit ihren Anfängen im Überfluss, dass rechtes Denken tief in der politischen Klasse verankert ist. Schon der Begriff des „Extremismus“ war seit jeher dazu gedacht, diesen Sachverhalt einer radikal anti-demokratischen, also extremistischen „Mitte“ zu verschleiern, die ihren eigentlichen Feind stets in der Linken sieht.
Zweifellos ist die politische Rhetorik dieser „Mitte“ geschmeidiger geworden, doch in der Sache behält Franz-Josef Strauss‘ nüchterne Einschätzung aus dem Jahr 1987 auch heute noch ihre Gültigkeit: Rechts von dieser „Mitte“ ist nur die Wand. Denn die AfD teilt mit den Parteien der „alternativlosen Mitte“ eine anti-egalitäre, anti-pluralistische, autoritäre, neoliberale und sozialdarwinistische Haltung sowie eine Neigung zu Gewalt als Mittel politischer Problemlösung. Die AfD ist also ideologisch keineswegs der Feind der Parteien der „Mitte“, sondern vielmehr ihr politischer Konkurrent. Zum Feind erklärt wird die AfD von dieser „Mitte“ nicht deswegen, weil sie rechts ist, sondern wegen ihrer Gegnerschaft zum Hegemonieanspruch der USA und ihrer kritischen Haltung zur US-geführten NATO. Um genau dies zu verschleiern, bedarf es eines geeigneten Ablenkziels, um das Denken des Wahlvolkes in die „richtigen“ Bahnen zu lenken.
Der von oben verordnete „Kampf gegen Rechts“ ist also, wie auch der „Kampf gegen Desinformation“, heuchlerisch. Er dient wesentlich zur Erzeugung von Angst, die sich dann zur autoritären Durchsetzung von Maßnahmen der Meinungskontrolle und Zensur nutzen lässt, um auf diese Weise die Stabilität der herrschenden Machtverhältnisse zu sichern.
Eine Linke, die diesen Namen verdient, lässt sich ihre politischen Ziele nicht von den Herrschenden diktieren. Für sie gehört der Kampf gegen Rechts seit jeher zu ihrem politischen Identitätskern. Sie ist sich bewusst, dass der von oben verordnete „Kampf gegen Rechts“ nicht mehr als ein Trojanisches Pferd darstellt, das letztlich gerade dem Kampf gegen Links dient.
Eine Linke, die diesen Namen verdient und sich ihrer Tradition bewusst ist, lässt sich durch derartige groß angelegte propagandistische Manöver nicht beirren und stellt sich ihrer vordringlichen Aufgabe, diese Strategien der Repression und einer zunehmend totalitären Bewusstseinskontrolle aus den inneren Widersprüchen und Entwicklungsdynamiken des gegenwärtigen US-geleiteten Hyperkapitalismus zu erklären. Nur auf diesem Weg lässt sich ein tieferes Verständnis der sich beschleunigenden Transformation zu einem autoritären Sicherheits- und Überwachungsstaat gewinnen – samt der sich in den vergangenen vier Jahren immer unverhüllter entfaltenden Dynamiken autoritärer Maßnahmen, der Repression von Dissens und dem Ausschluss von Andersdenkenden aus dem öffentlichen Debattenraum. Darin liegt die wirkliche Bedrohung der Demokratie. Und dagegen müssen wir unbeirrt und mit aller Entschlossenheit kämpfen!
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